
Einer der Schlüsselbegriffe in Industrie und Wirtschaft ist in diesen Tagen Industrie 4.0. Was ist das? Wer hat es erfunden? Und was steckt dahinter?
Hintergrund
Im globalen Wettbewerb sehen sich Staaten und Ökonomien vor der Herausforderung, ihre wirtschaftlichen Innovationsträger zukunftssicher zu machen. Dabei helfen soll die Ausrichtung auf ein gemeinsames strategisches Ziel, das die Innovationskraft der betreffenden Schlüsselindustrien stärkt und beschleunigt.
Die Initiative von Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft und Bundesregierung hat im Rahmen der gemeinsamen Hightech-Strategie das Projekt Industrie 4.0 ins Leben gerufen und auf der Hannover-Messe 2011 erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellt. Die gleichnamige Plattform www.plattform-i40.de macht es sich zur Aufgabe, die klassischen Industrien mit moderner IT- und Kommunikationstechnologie zu verflechten und sie so für die Zukunft fit zu machen, Fortschrittsimpulse freizusetzen, neue Technologien zu entwickeln und neue Märkte zu erschließen. Ziel ist es, Deutschland einen langfristigen Spitzenplatz unter den führenden Industrienationen zu sichern.
Smart Factory
Als Inbegriff dieser neuen Verzahnung hat sich seitdem die Vorstellung einer selbstorganisierten Produktion in Form einer voll automatisierten Fabrik festgesetzt. Und in der Tat ist sie ein plastisches Beispiel für das wünschenswerte Ineinandergreifen klassischer Produktionsabläufe und moderner Informationstechnologie: Formals händische Tätigkeiten werden durch digital gesteuerte Prozesse abgelöst, Fehler durch so genanntes „menschliches Versagen“ werden reduziert, Stückzahlen gesteigert und und und.
Dieses Konzept ist vor allem für so genannte Hochlohnländer interessant, die in der integrativen Produktionstechnik die Chance einer erheblichen Kostenersparnis und Gewinnmaximierung erkennen. Die Sorge der Arbeitsplatzvernichtung teilen die Hauptakteure der Initiative* nicht, sie stellen eher die Schaffung neuer hochqualifizierter Tätigkeitsfelder in den Vordergrund.
* Darunter die Bundesministerien für Wirtschaft und Energie (BMWi) und für Bildung und Forschung (BMBF), die Branchenverbände BITKOM, VDMA und ZVEI.
Internet of Things (IoT)
Aber der Schlüsselbegriff Industrie 4.0 erschöpft sich nicht nur in der Optimierung von Fertigungsprozessen. Er soll auch die Basis für neue Produkte und Märkte bilden. Das einschlägige Stichwort in diesem Kontext ist „Internet of Things“, das die Fernsteuerung von Geräten und Gegenständen beschreibt. Im Bereich des menschlichen Alltags sind damit etwa programmierbare Haushaltsgeräte gemeint oder so genannte Wearables, die direkt am menschlichen Körper getragen werden und den Träger durch digitale Dienstleistungen in der Bewältigung seiner Alltagsaufgaben unterstützen – ohne dass dieser dazu direkt ein Device bedienen muss. Die Rede ist von Smartwatches, Activity Trackern, digitalen Brillen etc. Erste Vertreter ihrer Art waren und sind etwa der Walkman oder Hörgeräte.
Theorie & Praxis
Theoretisch besteht das Konzept von Industrie 4.0 aus folgenden vier Prinzipien:
- Vernetzung zwischen Mensch & Maschine
- Informationstransparenz durch Sensordaten, welche reale Produktionsstätten virtuell erweitern
- Technische Assistenz mithilfe aggregierter und visualisierter Informationen
- Dezentrale Entscheidungen dank cyberphysischen Systemen, die „mitdenken“ und autonome Entscheidungen treffen können
Umsetzungsempfehlungen zu diesen Prinzipien wurden der Bundesregierung von der Arbeitsgruppe „Industrie 4.0“ unter dem Vorsitz von Siegfried Dais (Robert Bosch GmbH) und Henning Kagermann (acatech) 2012 vorgelegt. Seither folgten zahlreiche Projekte, welche die Theorie in die Praxis überführen. Diese Landkarte bildet sie ab – und wächst stetig weiter.