
Im Rahmen unserer Innovationsinitiative t+x2 nutzen wir IoT-Ansätze für ein Indoor-Gardening-Projekt. Wir wollen herausfinden, ob und wie sich die Ernährung der Weltbevölkerung in Zukunft aussehen könnte. Ein Projektbericht.
Geo-ökonomischer Hintergrund
Im Jahr 2015 lag die Anzahl hungernder Menschen bei 800 Mio. weltweit, Tendenz steigend. Man rechnet mit einem Bevölkerungswachstum von momentan 7,3 Milliarden auf 9,6 Milliarden im Jahre 2050. Ferner wird angenommen, dass die Menschheit bis 2050 insgesamt 30 % mehr Kalorien zu sich nehmen wird, da es einen kontinuierlichen Ernährungswandel hin zu proteinreichen Diäten gibt.
Die Konsequenz ist folglich, dass wir im Jahr 2050 2 x soviel Nahrungsmittel produzieren müssen wie im Jahr 2015. Demgegenüber schwinden weltweit nutzbare Ackerflächen durch Phänomene wie Versandung oder die Erosion von Mutterboden, Hinzu kommen sehr weite Transportwegen für Lebensmittel (im Durchschnitt 1500 Km).
Der Ansatz des Urban Gardening kann helfen, beiden Herausforderungen wirksam zu begegnen. Die Idee: städtische Flächen als Anbauareale erschließen. Dazu gehören neben Dächern und Parks ausdrücklich auch geschlossene Räume – Stichwort Indoor Gardening. Durch die Verwendung von Sensoren, künstlichem Licht und datengestützten Anbaumethoden, welche per Software genau kontrolliert werden können, kann Gemüse hierbei schneller wetterunabhängig produziert werden. Darüber hinaus kann auch der Wasserverbrauch gegenüber der konventionellen Landwirtschaft auf ein Minimum reduziert werden. Denn durch die Methode des Vertical Gardenings (Anbau auf mehreren Ebenen) sind wir in der Lage, auf kleinen Flächen viel mehr zu produzieren als auf einem herkömmlichen Acker.
(Quellennachweise siehe unten)
Das wollten wir testen. Im Kontext der Innovationsinitiative t + x2 haben wir uns das Ziel gesetzt, einen Inhouse-Gemüsegarten als IoT-Projekt zu realisieren und die Digitalisierung so in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen.
Entstanden ist ein vertikaler Gemüsegarten, der mittels IoT-Technik den Anbau von Kräutern und Gemüse in den eigenen 4 Wänden ermöglicht.
Gibt es das nicht schon?
Eine kurze Marktrecherche zeigte, dass es zu diesem Thema bereits einige Produkte gibt. Diese sind für unsere Idee aber entweder zu klein, (z. B. der LED-Kräutergarten eines schwedischen Möbelherstellers, der den Anbau von 2-3 Basilikumpflanzen ermöglicht) oder zu teuer und nicht nachhaltig genug (wie etwa ein 3000,00 EUR teurer Anbauschrank, der mit überteuerten Saatmatten befüllt werden muss).
Der von uns ausgewählte Ansatz sollte hingegen so dimensioniert sein, dass ein 2-4 Personen Haushalt ganzjährig auf Gemüse und Kräuter zugreifen kann. Abhängig von den gewählten Kräutern und Gemüsen soll ein Anbau von mindestens 30 Pflanzen möglich sein. Die Gefäße sind so dimensioniert, dass bis zu 72 Jungpflanzen eingebracht werden konnten. Die Kosten des Projektes sollten 200-300 Euro nicht überschreiten.
Die Steuerung der Hardware
Derzeitig befindet sich das Projekt noch in der Entwicklung und ständigen Optimierung. So sollen die Kosten möglichst geringgehalten und komplizierte Einstellungen auf dem Webinterface vereinfacht werden.
Im Kern des Prototyps steht derzeitig ein Raspberry Pi, der als Steuereinheit fungiert:
- Er kontrolliert die zugehörigen Steckdosen mithilfe von Funksendern.
- An diese Steckdosen sind Wasser- und Luftpumpen sowie Leuchten angeschlossen.
- Die Aquarienpumpen bewässern unsere Pflanzen und reichern die Nährstofflösung mit Sauerstoff an.
- Außerdem ist eine Kamera mit dem Pi verbunden. Damit können wir Timelapses erstellen und Live-Beobachtungen starten.
- Hinzu kommen drei Sensoren. Einer zur Steuerung von Luftfeuchtigkeit und Temperatur, die anderen beiden zur Messung des PH- und des EC-Werts der Nährstofflösung.
- Der Raspberry Pi hostet zudem das Webinterface.

Das Webinterface
Das Webinterface ist in mehrere Module gegliedert, in so genannten Cards. Wie oben bereits erwähnt, befinden wir uns hier noch in der Entwicklung, einzelne Cards sind noch nicht fertig implementiert. Hinter den Cards stehen die einzelnen Komponenten des Raspberry Pis. Das Frontend ist mit React, das Backend mit Java, Bash und Pyhton umgesetzt.
- Die Kamera macht stündlich ein Foto unserer Pflanzen. Die Kamera-Card zeigt immer das letzte Foto an und bietet die Möglichkeit, eine Liveübertragung zu starten und anzuzeigen.
- Die nächste Card dient der Steuerung und Anzeige der Funksteckdosen. Ist eine Steckdose eingeschaltet, wird das hier angezeigt. Will man den Zustand ändern, betätigt man den Switch Button.
- Das Ein- und Ausschalten wird via Telegram-Meldung bestätigt. Erst nach dieser Bestätigung, die auch bei der Kamera versandt wird, führt der Raspberry Pi den Befehl aus.
- Eine nächste Card gibt Auskunft über die erwartete Wachstumszeit der einzelnen Pflanzenkästen. Sobald sie abläuft, wird auch hier eine Benachrichtigung über Telegram gesendet.
- Zudem werden der jeweils aktuelle PH-Wert und EC-Wert (Electrical Conductivity) angezeigt.
- Eine weitere Card zeigt die Uhrzeiten an, wann welches Ereignis stattfindet.
- Die letzte Card projiziert die in der Datenbank gespeicherte Temperatur und Luftfeuchtigkeit der letzten 24 Stunden.

Fazit und Ausblick
Was wir hier in kleinem Rahmen entwickelt und realisiert haben, zeigt einmal mehr: Welternährung und Ökologie müssen nicht zwingend konkurrierende Anliegen sein. Wenn es uns nämlich gelingt, moderne digitale Technologien in den Dienst einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu stellen, kann die künftige Agrarkultur ebenso ökonomisch wie nachhaltig sein.
Nach Abschluss des Projektes werden wir den Source Code selbstverständlich öffentlich verfügbar machen und freuen uns, wenn die Open Source Community ihn weiterentwickelt.
Quellennachweise:
Süddeutsche: https://www.sueddeutsche.de/wissen/tomaten-gemuese-matratzen-pflanzenzucht-landwirtschaft-1.4837492
Stuart Oda: https://www.youtube.com/watch?v=z9jXW9r1xr8
Gertjan Meeuws: https://www.youtube.com/watch?v=ILzWmw53Wwo&feature=youtu.be
Mohamed Hage: https://www.youtube.com/watch?v=kSQm09twKEE&t=96s
Weitere lesenswerte Blogbeiträge von Julian Mengel: