
Einmal im Jahr findet an der Albert-Schweitzer-Schule in Kassel ein so genannter „Politischer Abend“ statt. Es geht darum, den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe eine Plattform zu bieten, moderiert von Lehrern und themenbezogenen Gastrednern, bestimmte aktuelle Fragestellungen unserer Zeit zu diskutieren. eines der Themen diesmal: Medienkompetenz.
Seit 2016 sind auch unsere Software-Entwickler Sebastian Hardt und Dr. Michael Lesniak dabei, die hier den Bereich Digitales vertreten. Wo es letztes Jahr noch um Fragen der digitalen Datenwirtschaft ging, standen diesmal die verhaltenspsychologischen Aspekte von Web 4.0 im Vordergrund:
- Wie verändert die Nutzung mobiler Endgeräte unser persönliches Verhalten?
- Welchen Einfluss hat die Verwendung anonymer digitaler Identitäten auf unsere Streitkultur im Netz?
- Wie beeinflusst die ständige Gegenwart eines Smartphones die zwischenmenschliche Kommunikation im „realen“ Leben?
- Verändern Filterblasen mein Urteilsvermögen?
Die Erfahrungsberichte der Schüler/innen waren sich durchweg ähnlich: Der Konsum digitaler mobiler Angebote wie WhatsApp, Facebook oder Snapchat von durchschnittlich 3 bis 4 Stunden pro Tag hat teils erhebliche Auswirkungen auf unser Sozialverhalten und auch darauf, wie wir uns fühlen. Die Teilnehmer diskutierten Fragen wie:
- Wie schnell muss ich eigentlich antworten, wenn mir jemand eine Nachricht schreibt?
- Ist es wirklich nötig, ständig digital erreichbar zu sein?
- Was passiert, wenn ich mich dem Ganzen auch mal verweigere?
Fast alle Diskutanten waren sich darin einig, dass sie die seltenen smartphone-freien Zeiten (etwa im Urlaub) als Befreiung erleben. Gleichzeitig verspüren sie starken Druck, Teil ihrer digitalen Community zu sein und zu bleiben.
Der goldene Weg liegt also wie so oft in der Mitte: Nutze die Angebote von Web 4.0 so, dass sie dein Leben bereichern, lasse sie aber niemals die alles beherrschende Macht über dein Wohlbefinden sein.
„Oberstufenschüler befinden sich auf der Schwelle zum Erwachsenendasein. Beim Politischen Abend 2017 und am Thema Web 4.0 wurde deutlich, in welchem Spannungsfeld sie sich dabei bewegen: Soziale Anpassung einerseits, Selbstbestimmung andererseits, Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft vs. kritische Distanz. All das sind Fertigkeiten, die durchaus im Widerstreit stehen, aber ohne Ausnahme wichtig für unsere Persönlichkeitsentwicklung sind.“ So fasst Dr. Michael Lesniak seine Eindrücke vom Abend zusammen.
Zwar sind Michael und Sebastian weder Pädagogen noch Psychologen. Aber als enthusiastische Software-Entwickler setzen sie sich jeden Tag mit den Chancen und Risiken der digitalen Welt auseinander und waren den Schülerinnen und Schülern in dieser Hinsicht perfekte Ansprechpartner.
Hintergrund: Medienkompetenz an deutschen Schulen
Das Thema Medienkompetenz wird immer wichtiger an deutschen Schulen. Laut einer Studie des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung von 2017 sprechen sich 55 % der Bevölkerung dafür aus, das Thema Medienbildung schon an den Grundschulen zu etablieren, während 90 % es für weiterführenden Schulen als unerlässlich erachten.
Die Initiative d21 hat in ihren Handlungsempfehlungen für die digitale Gesellschaft bereits 2014 darauf hingewiesen, dass Medienkompetenz ein zentraler Bildungsauftrag an deutschen Schulen darstellen sollte und gibt methodische Tipps zur strukturellen Verankerung, Lehrerbildung und technischen Ausstattung zur Integration des Fachbereichs im Schulbetrieb. Viele Bundesländer sind schon sehr früh aktiv geworden. So hat beispielsweise der Verein Schule ans Netz e. V. in Nordrhein-Westfalen schon vor Jahren Pionierarbeit geleistet (https://de.wikipedia.org/wiki/Schulen_ans_Netz) und mit dem kostenlosen Zugang aller Schulen zum Internet die Voraussetzung dafür geschaffen, dass es heute Projekte wie „DigitalPakt#D“ überhaupt geben kann.
Ganz generell lässt sich sagen, dass das Anliegen der digitalen Bildung an deutschen Schulen Fahrt aufgenommen hat – dass aber weiterhin viel zu tun bleibt, wenn das Land den selbstgesteckten Ansprüchen als digitaler Leistungsträger langfristig gerecht werden will.
Eine eher praktische Form der Medienkompetenz wird von Micromata auch beim Kasseler CoderDojo vermittelt.