Agiles Projektmanagement. Antworten auf die wachsende Fortschrittsdynamik

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Wir befinden uns in einem Zustand permanenter Veränderung. Dieser wird von einem technologischen Fortschritt befeuert, der sich in immer schnelleren Schritten vollzieht. Die Folge davon ist eine immer deutlichere Erwartungshaltung seitens der Kunden und damit einhergehend ein immer größerer Wettbewerbsdruck auf die Hersteller. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Smartphonemarktes, betrifft aber alle Branchen.

Herausforderungen der schnellen und disruptiven Marktdynamik

Die Welt verändert sich schnell, der technische Fortschritt nimmt rasant an Fahrt auf. Beispiel Papstwahl: Während 2005 die Menschen das Geschehen vom Petersplatz aus mit der Kamera fotografiert haben, taten sie dies 2013 bereits nur noch mit Smartphones oder Tablets. Und hört man auf die Stimmen der Hersteller, ist die Geschichte dieser Devices bald ebenfalls schon auserzählt und es schlägt die Stunde der Smartglasses und Chips, welche im übrigen schon jetzt ihren Weg in unseren Alltag bahnen. Die Entwicklungs- und Lebenszyklen digitaler Produkte sind also immer kürzer geworden. Im Vergleich dazu hat ein Radio seinerzeit rund 40 Jahre gebraucht, um sich überhaupt am Markt zu etablieren – Youtube hingegen nur ein Jahr.

Auf diese Schnelllebigkeit brauchen wir eine Antwort. Gleichzeitig brauchen wir Produkte, die zwar nicht mehr 20 Jahre oder länger überdauern müssen, dafür aber an sich wesentlich komplexer geworden sind. Eine Komplexität, die von einzelnen Menschen nicht allein zu leisten ist, sondern eine ausgeprägte Teamarbeit erfordert.

Hier ist Agilität die richtige Antwort, und ihre operative Umsetzung in (interdisziplinären) Teams.

Die sechs neuralgischen Punkte der Agilität

Dieser steigenden Dynamik, so Arne Kaiser, begegnen wir am besten mit agilen Methoden. Denn im Gegensatz zu den Herangehensweisen des klassischen Projektmanagements bieten agile Strukturen ein deutliches Mehr an Innovationskraft, Motivation und Verantwortungsgefühl. Um dies zu beweisen, stellt Arne Kaiser Struktur, Strategie, Führung, Prozesse, Motivation und Kultur beider Konzepte gegenüber:

  • Strategie: unternehmenszentrisch vs. kundenfokussiert
  • Struktur: formell vs. wertschöpfend
  • Führung: Vorgesetzter vs. Führungskraft
  • Prozess: vorherbestimmt vs. iterativ
  • Motivation: extrinsisch vs. intrinsisch
  • Kultur: geschlossen vs. offen

Aus dieser Gegenüberstellung leitet er ab:

In agilen Gefügen haben Werte wie Kundenorientierung und Teamgeist eindeutig mehr Platz als in traditionell-hierarchischen Strukturen. Das macht sie nicht nur kreativer, weil partizipativer, sondern auch im Hinblick auf die Marktdynamik wesentlich handlungsfähiger und resilienter.

Seine Aspekte im einzelnen:

Strategie im agilen Projektmanagement

Als Beispiel für eine unternehmenszentrische Strategie nennt Arne Kaiser den Taylorismus aus dem Zeitalter der Industrialisierung, der sich, benannt nach seinem Erfinder Frederick Winslow Taylor, stark an vorgeschriebenen Prozessen und Arbeitsabläufen orientiert. Dieses Denken sei in unserer Wirtschaft bis heute stark verbreitet, entstamme aber einer Zeit, wo die Fortschrittsdynamik noch vergleichsweise gering und die Prozesse sehr mechanisch waren.

Beim Taylorismus, so Kaiser, sei das System relevant. Der einzelne Mitarbeiter, nur ein Rädchen im Getriebe. Er wissenur wenig bis gar nichts über das Warum und das Wohin des Unternehmenskurses. Ohne dieses Wissen sei die Möglichkeit der Partizipation gering – mit erheblichen Auswirkungen auf die Motivation, am Erfolg des Unternehmens nachhaltig mitzuarbeiten. Typische tayloristische Fragen sind: Was ist für das Unternehmen gut? Wie erhöhe ich die Stückzahlen? Wie fahre ich den höchsten Gewinn ein?

Zeitgemäßer wäre nach Kaiser jedoch die Fragen: Was will eigentlich mein Kunde? Und was brauchen die Mitarbeiter, um diesen Kundenwunsch erfüllen zu wollen? Die Antwort bietet wie so oft die Literatur, namentlich der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry:

Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.

Auch der agilen Strategie geht es darum, die Mitarbeiter zu begeistern, ihnen verständlich zu machen, was sie jeden Tag tun und was das Ziel des Unternehmens ist. Erst dann, so Kaiser, entwickele sich Stolz, und die Bereitschaft, zum Unternehmenserfolg beizutragen, weil der Mitarbeiter nachvollziehen könne, dass sein Beitrag sinnstiftend für den Gesamterfolg ist.

Struktur im agilen Projektmanagement

In klassischen Unternehmen finden wir oft eine sehr formelle, hierarchische Struktur. Aus nachvollziehbaren Gründen: so gibt es bspw. einen klaren Entscheidungsweg, die Aufgaben sind klar umrissen, es gibt kein Durcheinander, keine Rollenkonflikte. Sehr effizient, allerdings auch von einer gewissen Blindheit. Denn natürlich hat man es in Unternehmen nicht mit Robotern zu tun, sondern mit menschlichen Wesen, die denken und fühlen und sich sozial austauschen. Diese informelle Struktur kann der formellen Struktur durchaus zuwiderlaufen, sie sogar gefährden. Stichworte sind etwa die Weitergabe oder Nichtweitergabe von Informationen, die Auslegung von Entscheidungen, der „Flurfunk“. Klassische Top-down-Strukturen sehen sich davon oft bedroht, schließlich soll alle Macht von der Führungskraft ausgehen.  Das ist natürlich ein Kampf gegen Windmühlen, denn die Menschen sprechen so oder so miteinander.

Agile Strukturen sehen in der zwischenmenschlichen Kommunikation hingegen keine Bedrohung, sondern eine Stärke – und fördern sie deshalb. Jeder soll mit jedem reden dürfen – egal auf welcher Hierarchiestufe. Und zwar so oft und so lange, bis eine Lösung für das besprochene Problem gefunden wurde. Und zwar nicht nur, weil viele Menschen mehr denken als wenige, sondern auch, weil man auf diese Weise wesentlich schneller zum Ziel kommt. Und das ist wichtig in einer Zeit, wo die Marktdynamik schnelllebig, die Produkte komplex und die Teams groß und interdisziplinär sind. In diesem Umfeld haben wir, so Kaiser,  schlicht und ergreifend keine Zeit für langwierige Entscheidungsketten. Das agile Gebot lautet also: Weg von formellen und hin zu wertschöpfenden Strukturen. Weg von einer Rechenschaftskultur hin zu mehr Mitdenken und Eigenverantwortung in den Teams.

Führung im agilen Projektmanagement

Das hat auch Auswirkung auf die Führungskultur. Führungskräfte im agilen Projektmanagement sollten, so Arne Kaiser, nach Möglichkeit keine Alleinherrscher im Kreise von Beratern sein, sondern sich dem Servant Leadership verpflichtet fühlen, das die dienende Funktion von Führung in den Vordergrund stellt: Was brauchen meine Mitarbeiter, um motiviert arbeiten zu können? Wie und wo kann ich sie dabei unterstützen, dass wir gemeinsam gesteckte Ziele erreichen? Eine agile Führungskultur erkennt darüber hinaus auch an, dass Führungskräfte oft gar nicht wissen können und auch gar nicht wissen müssen, was die genauen technischen oder fachlichen Anforderungen eines Projektes oder Fachgebietes sind. Sie sollten sich vielmehr darauf konzentrieren, optimale Arbeitsbedingungen für die zumeist hochspezialisierten Mitarbeiter zu schaffen.

Prozesse im agilen Projektmanagement

Das heißt aber nicht, dass jeder machen kann, was er will. Denn Agilität ist nicht die Abwesenheit von Führung. Agilität ist vielmehr das Ausbalancieren von Alignment (Ausrichtung) und Autonomie. Und die Förderung einer Unternehmenskultur, wo mitgedacht werden darf. Dabei darf Führung nach wie vor Ziele vorgeben – schreibt den Weg dorthin aber nicht vor. Mehr noch: dieser Weg darf iterativ erschlossen werden, Trial & Error sind ausdrücklich erlaubt. Aber Obacht: Das Gebot der Effizienz gilt natürlich nach wie vor.  So ist ein iteratives Vorgehen auf altbekanntem Terrain vermutlich eher ineffizient – schließlich kennt man das Ziel und auch den schnellsten Weg dorthin schon sehr genau.

Agilität und Iteration sind sinnvoll beim Betreten von Neuland, wo Pioniergeist und Denkvermögen gefragt sind – also in Umfeldern mit hohem Innovationsdruck.

Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen iterativer Prozesse ist eine konstruktive Fehlerkultur. Diese lebt davon, dass Fehler transparent gemacht und als Lessons Learned genutzt werden. Und zwar nicht in Form von Blame Games oder als Schuldkultur, sondern als Wissensquelle für die Zukunft. Nur wer nichts macht, macht keine Fehler. Und nur wer Fehler macht, kann daran wachsen.

Um die Effizienz eines Projektverlaufes zu messen, zieht im agilen Projektmanagement die Gradmesser Lead Time und Flow Efficiency zu Rate. Dabei setzt sich die Lead Time stets aus Arbeitszeit und Wartezeit zusammen. Teilt man nun die reine Arbeitszeit rechnerisch durch die Lead Time, ergibt sich die Flow Efficiency. Liegt diese bei 100 %, ist der Workflow optimal, alle Teilbereiche eines Projektes greifen ohne Reibungsverlust ineinander. Zum Vergleich: In einem durchschnittlichen modernen Technologieunternehmen liegt die Flow Efficiency derzeit zwischen 5 und 15 %, die Wartezeit ist also extrem hoch.

Motivation im agilen Projektmanagement

Im agilen Projektmanagement stellt man drei Dinge fest, die den Mitarbeiter motivieren:

  • Autonomie: die Freiheit, Dinge in seinem Wirkungsbereich selbst zu entscheiden
  • Mastery: die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und seine Fähigkeiten auszubauen, besser zu werden
  • Purpose: Die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns

Wenn alle drei Komponenten zusammenkommen, kann man von motivierten Mitarbeitern sprechen. Was außerdem hilft, sind Kommunikation, Information, Transparenz.

Kultur im agilen Projektmanagement

Die Kultur im agilen Projektmanagement ist offen. Wie in den vorangehenden Betrachtungen schon deutlich wurde, sind dafür die prägenden Kennzeichen: flache Hierarchien, Kommunikation auf Augenhöhe, eine konstruktive Fehlerkultur, keine Denkverbote.

Fazit

Agilität erschöpft sich nicht in agilen Werkzeugen. Wer mit einem Canban Board arbeitet oder jeden Tag ein Daily Scrum abhält, ist deswegen noch lange nicht agil. Agil ist der, der diese Instrumente als Motor für ein agiles Mindset einsetzt. Agilität ist kein Selbstzweck, sondern die Antwort auf eine Frage, die uns alle beschäftigt: Wie begegnen wir den steigenden Anforderungen des Marktes und bleiben auch angesichts einer immer größeren Marktdynamik kreativ, glücklich und leistungsbereit?

Arne Kaiser ist Teil des Beraternetzwerkes Scalamento und führt Unternehmen verschiedenster Größen in die Agilität.

Möchten Sie noch mehr über Agilität erfahren? Hier ein TECH TALK zum Thema Agile Dokumentation.

Jule Witte

Jule Witte

Presse & Kommunikation
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